Infoschreiben zur 1. Tarifverhandlung
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 20. Oktober 2020 fand die erste Tarifverhandlung zu einem neuen Bundestarifvertrag für das Schornsteinfegerhandwerk (BTV) statt. Unsere Forderungen wurden bereits im Vorfeld an den Zentralinnungsverband (ZIV) übermittelt und beruhen auf einer breit angelegten Mitgliederbefragung.
Das Forderungspaket beinhaltet folgende Punkte:
- Lohnsteigerung des Stundenlohnes um 6,5 %,
- das Recht auf flexible Arbeitszeitregelungen,
- eine Änderung in der
- Tarifgruppe III: wonach mit Bestehen der Meisterprüfung die Entlohnung nach TG III direkt anfällt und nicht erst ab dem 4. Berufsjahr,
- Tarifgruppe V: wonach die Einstufung in die TG V nach der Qualifikation des Mitarbeiters erfolgen muss und nicht nach dem, wie dieser im Betrieb eingesetzt wird,
- Laufzeit des Bundestarifvertrages von einem Jahr.
In der ersten Verhandlungsrunde haben sich die Tarifkommissionen der beiden Verbände intensiv mit unseren Forderungen auseinandergesetzt. Die Vertreter des ZIV machten dabei deutlich, dass die Umsetzung einer flexiblen Arbeitszeit den Betrieben überlassen sein sollte und im jeweiligen Arbeitsvertrag geregelt werden muss. Wir hingegen argumentierten, dass es uns mit der Forderung der flexiblen Arbeitszeit darum geht, ein Signal zu setzen. Zudem würde mit der Einführung der flexiblen Arbeitszeit unser Handwerk ein positiveres Ansehen, nicht nur bei den jetzigen, sondern auch bei zukünftigen Mitarbeitern, bekommen. Konkret wurde darüber diskutiert, eine Kernarbeitszeit im BTV zu verankern, welche jedoch in der Ausgestaltung den Betrieben überlassen sein sollte. Dabei diskutierten wir über die Arbeitszeiterfassung in den Betrieben, welche derzeit nicht flächendeckend stattfindet.
Eine Änderung der Tarifgruppe V, wonach die Mitarbeiter nach ihrer Qualifikation entlohnt werden sollen, lehnte der ZIV mit der Begründung ab, dass immer nur nach den ausgeschriebenen Stellenbeschreibungen bezahlt wird, nicht nach der mitgebrachten Qualifikation. Der Mehrwert für den Betrieb, einen qualifizierten Mitarbeiter zu beschäftigen sei so gering, dass sich das nicht lohnen würde.
Einer Änderung der Tarifgruppe III, wonach bei Schornsteinfegermeistern auf eine Mindestberufserfahrung verzichtet werden soll, konnte der ZIV schon eher folgen. Wobei der komplette Verzicht auf die Berufserfahrung nach Ansicht der Arbeitgebervertreter nicht in Frage komme. Auch hier kamen mehrere Aussagen von ZIV-Vertretern, dass der Schornsteinfegermeister keine bessere Arbeit abliefern würde als der Schornsteinfegergeselle. Somit sei auch eine Änderung der TG III nicht unbedingt notwendig. Auch die komplette Streichung der TG III wurde in der Diskussion von einem der Arbeitgebervertreter angebracht.
Zur Begründung der Lohnforderung in Höhe von 6,5 % führten wir an, dass unsere Kolleginnen und Kollegen zusätzlich zur Erledigung ihrer Arbeit bereit sind, sich ständig fort- und weiterzubilden und auch die Zufriedenheit der Kunden des Schornsteinfegerhandwerks sehr hoch ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit und zu einem großen Teil der Verdienst aller Beschäftigten in unserem Handwerk. Im Vergleich zu anderen Handwerksmeistern ist diese Forderung mehr als gerecht und zudem längst überfällig. Auch die Lohnzurückhaltung der vergangenen drei Jahren in den Betrieben der alten Bundesländer muss dringend ausgeglichen werden, wenn wir im Schornsteinfegerhandwerk weiterhin Fachkräfte finden und vor allem auch halten wollen. In der Diskussion um die Lohnforderung wurde von Seiten des ZIV deutlich gemacht, dass die Betriebe im Schornsteinfegerhandwerk ihre Leistungsfähigkeit erreicht und in manchen Teilen sogar überschritten haben. Lohnsteigerungen für die Arbeitnehmer könnten durch Preisanpassungen nicht an die Kunden weitergegeben werden und würden dazu führen, dass der jeweilige Betriebsinhaber weniger verdient. Den Vertretern des ZDS wurde von den Arbeitgebern ein Angebot in Höhe von 1,5 % unterbreitet, sofern sich die Tarifvertragsparteien über eine Laufzeit von zwei Jahren einigen könnten. Für das zweite Jahr wurde kein konkretes Angebot unterbreitet.
Wir sind auf das Angebot des ZIV nicht eingegangen und haben nochmal darauf verwiesen, dass es im Schornsteinfegerhandwerk einen anhaltenden Fachkräftemangel gibt. Dieser wird mit Lohnsteigerungen im Bereich der Inflationsgrenze jedoch nicht besiegt. Eine deutliche Lohnsteigerung ist für das Schornsteinfegerhandwerk gerade deshalb wichtig, um sich den anstehenden Herausforderungen erfolgreich stellen zu können. Gemeint sind damit die Änderungen im Schornsteinfegerhandwerk, welche aufgrund der Klimaschutzgesetze und der anstehenden Novellierungen im Bereich der Ersten Bundesimmissionsschutz-Verordnung kommen werden.
Bei den Ausführungen der ZIV-Tarifkommission zur Lohnforderung wurde leider sehr deutlich, dass es bei den Betrieben im Schornsteinfegerhandwerk ein starkes strukturelles Problem gibt. Viele der Betriebsinhaber seien derzeit nicht in der Lage durch das Erschließen neuer Tätigkeitsfelder wegfallenden Umsatz auszugleichen. Neue Tätigkeiten werden zu wenig angeboten, Preise werden zu labil kalkuliert und die Motivation, Umsatz zu generieren ist bei vielen der Betriebsinhaber leider nicht vorhanden. Selbst die Regelarbeitszeit für die Beschäftigten kann in manchen Betrieben aufgrund der leeren Auftragsbücher nicht komplett mit Arbeit ausgelastet werden, so die Arbeitgebervertreter. Eine Lohnerhöhung sei daher nur in einem sehr geringen Umfang möglich. Was die Betriebe in den neuen Bundesländern betrifft, so würde der ZDS mit seiner Lohnforderung derzeit die Errungenschaft des letzten Tarifvertrages (Angleich der Löhne in Ost/West) riskieren, meinte der ZIV-Vertreter aus Brandenburg zum Abschluss der Verhandlungen.
Der ZDS betrachtet die verheerend düsteren Aussagen des ZIV mit Sorge und hofft, dass diese nur Geplänkel rund um die Verhandlungsgeschicke zu einem neuen Tarifvertrag sind und in der Realität nicht der Wirklichkeit entsprechen. Sonst hätten wir nämlich im Schornsteinfegerhandwerk ein deutlich größeres Problem als wir ursprünglich gedacht haben.
Weiterhin teilte der ZIV folgende Änderungswünsche für einen neuen BTV mit:
- Einen Ausschluss des BGB § 616 in § 11 des BTV: wonach im Falle einer persönlichen Arbeitsverhinderung des Mitarbeiters, ein Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn er unverschuldet für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung verhindert ist. (Lohnausgleichszahlung einer Behörde, wenn aufgrund des Infektionsschutzgesetzes nicht gearbeitet werden kann),
- Streichung des §6 Abs. 2 im BTV: wonach die Erstattung der Fahrkosten bei Aushilfstätigkeit wegfallen würde,
- Änderung des § 11 Abs. 2 Punkt b: wonach bei einem Wohnungswechsel zukünftig nur ein Tag Sonderurlaub anstatt der bisher geltenden bis zu drei Tage Sonderurlaub gewährt wird.
Der nächste Verhandlungstermin wurde auf den 19. November 2020 angesetzt. Wir hoffen, dass die Vertreter des ZIV bis dahin nochmal ernsthaft über unsere Forderungen nachdenken und sich ihrer Verantwortung für unsere gemeinsame Zukunft im Klaren sind. Denn es geht um unsere Löhne und um unsere Zukunft!
Mit besten Grüßen
Zentralverband Deutscher Schornsteinfeger e. V.
– Gewerkschaftlicher Fachverband –
Bundesverband
Daniel Fürst
1.Vorsitzender