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Leitartikel

Tätigkeitsplan der App – mehr als nur Arbeitszeiterfassung

Mathias Kazek
Mathias Kazek /

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das leidige Thema Arbeitszeiterfassung. Auch wenn es aktuell noch keine nationale Umsetzung des EuGH-Urteils zur verpflichtenden Arbeitszeiterfassung für alle Betriebe gibt, so kann man jetzt schon fest davon ausgehen, dass diese kommen wird. Gerade bei uns im Handwerk ist die rechtssichere Arbeitszeiterfassung sehr schwer, da wir nicht nur im Kundendienst unterwegs sind und meistens unsere Pausen selbst planen, sondern auch keinen festen Ort für diese haben. Dazu kommt noch, dass der Arbeitstag nicht immer im Büro beginnt und endet. Dadurch wird in den Schornsteinfegerbetrieben, was die Arbeitszeiterfassung angeht, immer auch ein gewisses gegenseitiges Vertrauen vorausgesetzt.

Wir diskutieren in der Tarifverhandlung aktuell über ein Recht auf flexible Arbeitszeit, da die richtige Work-Life-Balance parallel mit dem Lohn bei der Tarifumfrage unserer Mitglieder als am wichtigsten gevotet wurde. Eine flexible Arbeitszeit bedeutet aber auch, diese zu planen und zu erfassen. Keinesfalls ist damit gemeint, dass der Mitarbeiter kommen und gehen darf, wann es ihm gerade danach ist. Der Arbeitslohn ist gekoppelt an die Arbeitszeit. Ich denke, das ist jedem bewusst und nur fair gegenüber allen, wenn diese Kopplung auch berücksichtigt wird. Eine flexible Arbeitszeit macht deren Erfassung umso wichtiger.

Auch wenn es wohl keine perfekte Lösung gibt, so haben wir versucht, das bestmögliche Modell für unsere Mitglieder zur Verfügung zu stellen. Jeder Schornsteinfeger hat wohl ein Handy oder Tablet auf der Arbeit dabei. Somit ist dies das beste Instrument, um die Stechuhr aus der Industrie in den Kundendienst zu übertragen. Und nicht nur die Arbeitszeit kann dokumentiert werden. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter selbst einen Überblick über ihre Ansprüche haben: wie viele tarifliche Schulungstage z.B. schon unter Lohnfortzahlung genutzt werden oder wie viele Urlaubstage einem eigentlich zustehen und wann diese genommen wurden. Es ist schön und gut, dass das alles beim Chef im Büro im Kalender steht. Wenn es aber doch einmal zu einem Streit kommt, zeigt unsere Erfahrung, dass dieser Kalender leider nicht mehr so einfach zu erreichen ist.

Der Tätigkeitsplan in unserer App kann also auch als Kalenderübersicht genutzt werden und errechnet nach Erstellen des Profils auch immer anteilig den Urlaubsanspruch und andere tarifliche Leistungen, ergänzend zu dem Bruttostundenlohn. Ein Punkt, der uns bei der Erstellung sehr wichtig war: den Kollegen möglichst einfach aufzeigen, was genau einem eigentlich alles zusteht. So kann man nach Auswahl der nötigen Felder automatisch die tariflichen Konditionen für das aktuelle Jahr hinterlegen lassen und, falls durch einen besonderen Arbeitsvertrag Änderungen notwendig sind, diese auch einzeln ändern. Wir sind also sicher nicht die Ersten, die eine App oder ein anderes Tool zur Arbeitszeiterfassung entwickelt haben. Dazu gibt es inzwischen mehr als genug Anbieter. Allerdings konnten wir ein auf tarifgebundene Schornsteinfegerbetriebe zugeschnittenes Programm erstellen, welches über die reine Arbeitszeiterfassung hinausgeht.

Erfahrungsgemäß werden sich gerade die Kollegen/innen, die meinen, dass es schon passt, wundern. „Man macht ja auch mal früher Feierabend.“ Wir haben viele Hinweisfelder eingebaut, über die ihr euch informieren könnt, was genau eigentlich Arbeitszeit ist. Wenn man die Telefonate mit den Kunden, das Vorbereiten der Messgeräte und am Tagesende die Abrechnung zusätzlich zu der täglichen Arbeit genau dokumentiert, werden die gemeinten Kollegen/innen sehen, dass hier durchaus mehr als 38,5 Stunden die Woche zusammenkommen. Testen lohnt sich also, auch wenn es nur dazu dient, ein besseres Gefühl für seine Arbeitszeit zu bekommen.

Das reine Loggen oder Eintragen der Arbeits- sowie Abwesenheitszeiten reicht natürlich nicht aus. Die Berichte, die dann mit dem Betriebsinhaber abgestimmt werden müssen, können immer wochenweise ausgewählt und an ausgewählte E-Mail-Adressen versendet werden. Eine rechtssichere Arbeitszeiterfassung ist erst dann gegeben, wenn beide den Wochenbericht unterzeichnen und damit akzeptiert haben. Sollte man sich beim ersten Bericht schon nicht einig werden, weil zum Beispiel Überstunden nicht akzeptiert werden, sollte spätestens dann umso genauer darauf geachtet werden, keine Überstunden mehr zu machen.

Zum Schluss möchte ich noch einmal zurück zu dem Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Lohn. Es gibt sicher Betriebe, in denen einvernehmlich weniger Arbeitszeit geleistet werden muss als tariflich vereinbart. Wenn die betroffenen Kollegen unseren Lohn, der nun mal stundenbasiert ist, als akzeptabel ansehen, weil diese eben nicht im Verhältnis die 38,5 Stunden pro Woche dafür arbeiten müssen, dann ist das während den Tarifverhandlungen wie ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich an ihre Arbeitszeit halten.

Mit kollegialen Grüßen

Mathias Kazek

Innovationszentrum Schornsteinfegerhandwerk

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