Tag der Arbeit – warum eigentlich?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was habt ihr in diesem Jahr am 1. Mai so gemacht?
Viele werden sich jetzt denken: „Das war doch ein Sonntag, also eigentlich das, was ich immer so am Sonntag mache!“ Einige unserer Kolleginnen und Kollegen werden antworten: „Am Tag der Arbeit war ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen auf einer Demonstration für bessere Arbeitsbedingungen – ist doch selbstverständlich!“ So selbstverständlich, wie es für die einen erscheint, ist es leider nicht für alle. Dabei hat der 1. Mai als Feiertag eine hohe Bedeutung für Gewerkschaften.
Erstmals wurde der 1. Mai als Feiertag im Jahr 1919 von der Weimarer Nationalversammlung als einmaliger Feiertag im „Gedenken des Weltfriedens, des Völkerbundes und des internationalen Arbeiterschutzes“ verabschiedet. Da die Idee eines dauerhaften nationalen Feiertages bei den bürgerlichen und konservativen Gruppierungen in der Versammlung auf wenig Begeisterung stieß, blieb es bei einem einmaligen Feiertag in Deutschland. Die Ursprünge des heute bekannten Feiertages „Tag der Arbeit“ gehen aber weiter zurück und beginnen in den USA.
Am 1. Mai 1886 streiken in den USA ca. 400.000 Menschen in mehreren Städten und fordern die Einführung eines „Achtstundentags“. Im Zuge des Streiks kommt es in Chicago am 3. und 4. Mai zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bei diesen Auseinandersetzungen, die im Nachhinein als Haymarket Riot bezeichnet werden, sterben mehrere Demonstranten und Polizisten. Acht Streikorganisatoren werden angeklagt und hingerichtet. Zum Gedenken an die Opfer des Haymarket Riot rufen Gewerkschaften und Arbeiterparteien im Jahr 1889 auf dem zweiten Internationalen Arbeiterkongress in Paris am 1. Mai zu einer internationalen Demonstration auf. Zentrale Forderungen sind auch hier der Achtstundentag und höhere Löhne sowie bessere Arbeitsbedingungen. Schon ein Jahr später finden am 1. Mai 1890 auch in Deutschland Streiks, Demonstrationen und die sogenannten Maispaziergänge statt, an denen sich rund 100.000 Menschen beteiligen. Aufgrund der hohen Bedeutung für die Arbeiterinnen und Arbeiter zu dieser Zeit beschließt die SPD im Oktober 1890, den 1. Mai zum Tag der Arbeiterbewegung zu machen. Fortan kommt es am 1. Mai alljährlich zu Demonstrationen und Streiks, an denen sich Tausende und Hunderttausende Menschen beteiligen. Durch Aussperrungen und Entlassungen aufgrund dieser Bewegungen entwickelt sich der 1. Mai im Laufe der Zeit zum Symboltag des Klassenkampfs.
Bis heute hat sich in Europa der 1. Mai als Feiertag und vor allem als Tag der Arbeit und der Arbeiterbewegungen gehalten. Und so gehen Jahr für Jahr Menschen auf die Straße und nehmen an friedlichen Demonstrationen teil und setzen sich für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen ein. Neben diesen „klassischen“ Zielen der Arbeiterbewegungen kamen mit der Zeit auch immer mehr gesellschaftspolitische Themen auf die Agenda der Demonstrationen. Natürlich war in diesem Jahr auf den erstmalig nach 2019 wieder voll stattfindenden Kundgebungen und Demonstrationen der Krieg in der Ukraine ein großes Thema, und das aus meiner Sicht absolut zu Recht. Wir als Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen dürfen unsere Augen vor diesem absolut barbarischen und unnötigen Angriffskrieg nicht verschließen und müssen uns zusammenschließen und mit den Menschen in der Ukraine solidarische zeigen. Für mich gehört genau das eben zum 1. Mai dazu: Geschlossenheit und Solidarität zeigen und gemeinsam für eine bessere Welt einstehen.
Wir nehmen vieles in unserem heutigen Alltag als gegeben und selbstverständlich hin, doch alles hat einen Ursprung und es gibt trotz aller Annehmlichkeiten immer noch vieles, was sich in unserer Gesellschaft und bei den Arbeitsbedingungen ändern muss. Es ist wichtig, die von Gewerkschaften in der Vergangenheit erstrittenen und erkämpften Errungenschaften nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und sich für die heutigen Themen einzusetzen und zu solidarisieren. Geht raus und nehmt an den 1.-Mai-Demonstrationen und Kundgebungen in eurer Nähe teil und lasst uns zusammen als positiver „schwarzer Block“ zeigen, dass die Mitglieder des ZDS gemeinsam mit anderen Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen zusammenstehen, um die Welt ein Stück weit besser zu machen.
Für den ZDS und seine Mitglieder steht in diesem Jahr wieder eine Tarifrunde an. Es geht darum, das Schornsteinfegerhandwerk für den Nachwuchs und für die Mitglieder weiter attraktiv zu gestalten. Nach der letzten Tarifrunde, die größtenteils digital stattfinden musste, heißt es in diesem Jahr, Flagge zu zeigen und gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen einzustehen. Das mag für viele auf den ersten Blick unangenehm sein, aber es ist wichtig für unsere Gemeinschaft – und nicht zuletzt für die Tarifverhandlungen –, zusammenzuhalten und mitzumachen. Der ZDS ist eine Mitmachgewerkschaft, und das werden wir in diesem Jahr wieder zeigen.
Euer Regionalsekretär
Hannes Martens